Deutschland – Ein Frühlingslied

Jetzt wird’s wieder anspruchsvoll. Lyrik ist angesagt. Ich muss dringend weiter durch Deutschland reisen, auf den Spuren meines Dichterfreundes Michael Schernthaner. Hier noch einmal ein Überblick was bisher geschah. Für alle, die sich nicht mehr so genau an die Literarische Reise auf den Spuren von Heinrich Heines Gedicht “Deutschland ein Wintermärchen” erinnern können, habe ich hier noch einmal die moderne Fassung veröffentlicht:

“Deutschland – Ein Frühlingslied”

Michael Schernthaner

Michael Schernthaner
www.Michael-Schernthaner.de
E-Mail: MSC@Michael-Schernthaner.de

“Deutschland, ein Frühlingslied”

I

Es ist im lieblichen Monat Mai,
Als ich nach Haus, nach Deutschland fahr.
Ins wiedervereinigte Heimatland,
Das jahrelang gespalten war.

Ich komme von Süden, vom Brenner her,
Wo die Strassen solide gebaut.
Es herrscht hier wirklich ein reger Verkehr,
Der sich zuweilen auch staut.

Zu den Kutschen sagt man Autos jetzt.
Die werden auch nicht mehr gezogen.
Sie rasen zuweilen dermaßen schnell,
Als kämen sie angeflogen.

Ich sitze in so einer Kutsche drin,
Die Alpen fliegen an mir vorbei.
Alles hat sich verändert jetzt,
Auch der Osten ist wieder frei.

Gespannt wie ein Kind zu Weihnachten
freu ich mich auf mein Zuhause.
Auf dem Rastplatz, hoch droben, am Brenner See,
verweile ich bei einer Pause.

Was wird mich erwarten? Was kommt auf mich zu?
Was darf ich jetzt glauben und hoffen?
Ein Wunder ist in Berlin geschehen,
Die Grenze steht einladend offen.

Der neunte November bewegte die Welt
Nicht nur in den deutschen Ländern.
Durch ihn wird sich das Weltsystem
In seiner Gesamtheit wohl ändern.

Die innerdeutsche Grenze ist nun
Wie durch Zauberhand aufgeschlossen.
Der Grund dafür war ein Missverständnis
Unter den alten Genossen.

Das Zentralkomitee der SED
Hatte sich nicht richtig besprochen.
Die Mauer ist an diesem Fauxpas
Tatsächlich dann auch zerbrochen.

Und als ich wieder nach Deutschland kam,
Durchströmte mich süßes Empfinden.
Mein Vaterland war wieder vereint.
Es konnte sich friedlich verbünden.

Ich hoffe auf kluge Veränderung,
Im Denken und auch im Handeln.
Der Westen soll mit dem Osten jetzt
Zu einem Staate sich wandeln.

Bald nach dem Krieg entstanden hier
Zwei deutsche ‚Bruderstaaten’.
Die eine Hälfte war amerikanisch,
Die andere russisch beraten.

Die Teile wurden streng getrennt
Durch Machtanspruch und Intrigen.
Im Osten gab man die Losung heraus:
“Der Sozialismus wird siegen!”

Über ein viertel Jahrhundert hat
Sich dieser Zustand gehalten.
Und immer wieder wurde versucht,
Die Menschen auch geistig zu spalten.

Auf beiden Seiten hatte man sich
Gegen die Zerteilung gewehrt.
Geändert hat das allerdings nichts;
Die Ostzone blieb abgesperrt.

Wenn einer versuchte, dem zu entfliehen
Haben die treuen Genossen
Den Vaterlandsverräter dann
Auf höchsten Befehl erschossen.

Im brodelnden Monat November bekam
Dann plötzlich, nach so langer Dauer,
Das “Bollwerk” endlich einen Riss,
Und es bröckelte die Mauer.

Sie bröckelte wie ein vermoderter Stein.
Die Grenze war brüchig geworden.
Der Antifaschistische Betonschutzwall
Hatte den Schrecken verloren.

Gott lob, die Grenze gibt es nicht mehr,
Sie wurde schnell abgetragen.
Und neue Hoffnung keimte auf,
In jenen Novembertagen.

Selbst die Soldaten sind wieder vereint.
Der „Feind“ hat jetzt Zuwachs bekommen.
Die NVA wurde ganz regulär
Von der Bundeswehr übernommen.

Erfüllt hat sich der kühne Traum
Der deutsch deutschen Demokraten.
Mehr als achtundzwanzig Jahre
Mussten sie darauf warten.

Doch so ein Augenblick geht schnell vorbei.
Der Alltag hat uns wieder.
Und mancher, der damals gefeiert hat,
Singt heut wieder Klagelieder.

Die Mauer ist endgültig weggefegt.
Doch weiterhin trennen Gedanken
Die beiden Teile, es geistern im Kopf
Noch immer die alten Schranken.

Das stimmt mich traurig, und ich will
Ein neues Lied euch singen.
Es soll den Menschen Zuversicht
Und Selbstvertrauen bringen.

Die Fahne mit dem schwarzen Band,
Dem Goldenen und dem Roten,
Sie steht für ein freies Deutschland ein.
Gedenkend auch unserer Toten.

Die Farben der guten Fahne sind
Wie Sonne und Nacht und Feuer.
Ein neues Lied, ein einig Volk,
Die Freiheit, sie bleibt uns teuer!

II

München ist meine erste Station,
Die Hauptstadt vom schönen Land Bayern.
Die Menschen trinken hier mit Wonne Bier
Und verstehen auch zünftig zu feiern.

Auf der Theresienwiese ragt
das Haupt zum Himmel erhoben
Bavaria, die Stadtpatronin,
Auf ihrem Denkmal da droben.

Das ist ein Weib, so stolz und stark,
So mutig und so erfahren.
Sie konnte ihr Bayern schon manches Mal
Vor schlimmen Leiden bewahren.

Nur einmal hatte sie übersehen
Einen krakeelenden Aufrührer.
Er war zu klein, sie sah ihn nicht,
Den neuen teutonischen Führer.

Denn hätte sie es damals geahnt
Was der im Geheimen dachte,
Sie hätte uns sicher beschützt vor ihm,
Der Schande und Unheil brachte.

Doch leider hat sie es nicht gewusst,
Dass dieser mit seinen Horden,
Den Krieg trainierte und mit Lust,
Das Foltern und das Morden.

Es kam zu Krieg und Völkermord.
Zu grauenhaft leidvollen Jahren.
Solch ein Verderben hatte die Welt.
Noch niemals zuvor erfahren.

Die antisemitische Geisternacht
Kann man in Worte kaum fassen.
Den „Saujud“ wollte man ganz insgeheim
In Lagern vernichten lassen.

Auch heute spürt man geisterhaft
Den alten Wahnsinn schon wieder.
Kahle Köpfe grölen des Nachts
Gespenstisch die alten Lieder.

Der nationalistische Machtanspruch
Will seiner Grabgruft entsteigen,
Mit dem Totenkopf und dem Hakenkreuz,
Und der Welt seine Stärke zeigen.

Die NPD sitzt jetzt sogar
wieder im deutschen Parlament.
Demokratisch hat sich das Land
Den Gerechtigkeitsnerv verklemmt.

So kocht die braune Soße hoch,
Ganz öffentlich noch akzeptiert.
Mit Steuergeldern wird der Sud
Höchst demokratisch finanziert.

III

Zu Füßen der großen Bavaria
Regt sich ein recht buntes Treiben.
Was hier an Bier getrunken wird,
Lässt sich nur schwerlich beschreiben.

Mich treibt die Neugierde auch dorthin,
Ins Gewimmel, und als ich saß,
Da brachte mir eine Kellnerin
Auch so ein schweres Glas.

Es ist recht groß und knapp gefüllt
Mit Bier, das riesige Glas.
Ein Bayer erklärte mir dazu:
“Dees hoaßd bei uns a Mass.”

Das Bayrisch klingt für mich so süß,
So alt, so bodenständig.
Und quasseln sie erst richtig los,
Wird vieles unverständlich.

Trotzdem ich kaum was verstehen konnte,
Blieb ich ein Stündchen sitzen.
Doch nach dem zweiten Wies’n-Mass
Begann ich leicht zu schwitzen.

Es trieb mich eilig zu dem Ort,
Wo man Erleichterung findet.
Ganz Deutschland schien zu pieseln hier.
Die Länder waren pinkelnd verbündet.

Schwaben und Hessen standen da.
Ich hörte Berliner und Sachsen.
Im Bierrausch war das germanische Volk
Ganz innig zusammengewachsen.

Die Menschen feiern dort fröhlich vereint
Das bayrische Volksvergnügen.
Sie lachen und trinken sehr viel Bier
Aus den üppigen Bayern-Krügen.

Gesungen werden zur Blasmusik
Lieder vom lustigen Leben.
Man tanzt dazu auf den Tischen herum,
Bis schließlich die Zelte erbeben.

Ein Prosit auf die Gemütlichkeit!
Krakeelen die trunkenen Kehlen.
Jetzt trinken wir noch eine Mass!
Erschallt der Ruf in den Sälen.

Dieses Spektakel der Bierbrauerkunst
Gibt es schon seit Generationen.
Es kommen Besucher aus aller Welt
Um diesem Fest beizuwohnen.

Mein Bauch war voll, ich schlenderte
Geruhsam durch die Gassen.
München ist eine saubere Stadt.
Es liegt kaum Dreck auf den Straßen.

Auf seine Frauenkirche ist
Wohl stolz ein jedweder Bayer.
Und einen Mann verehren sie sehr.
Den Pater S.J. Ruppert Mayer.

IV

Ich fiel ins Bett und schlief gleich ein,
Der Schlaftrunk zog mich nieder.
Und als ich einschlief, träumte ich
Von der bayrischen Dame wieder.

Bavaria trank mit mir eine Mass.
Wir saßen zu zweit auf dem Hügel,
Der leicht hinunter führt ins Tal,
Zum traditionellen Brauhausstüberl.

Die Gassen waren wie leer gefegt.
Kein Hund lief mehr durch die Straßen.
Wir blieben völlig ungestört,
Als wir alleine dort saßen.

Sie erzählte vom König Ludwig mir,
Von seinen prunkvollen Schlössern.
Er liebte das Reiten und verstand
Sehr viel von prächtigen Rössern.

Ohne diesen Ludwig wäre
Bayern um sehr vieles ärmer.
Er war ein Märchenkönig und dazu
Ein großer verträumter Schwärmer.

Mit seinen gewaltigen Bauten hat er
Sein schönes Königreich fast ruiniert.
Dann ertrank er auf seltsame Weise,
Oder man hat ihn im See liquidiert.

Sie sprach darüber sehr nachdenklich,
Sein Tod schien ihr nahe zu gehen.
Ich glaubte sogar eine Träne
In den feuchten Augen zu sehen.

Die erhabene Frau hat in jener Nacht
Noch ziemlich viel getrunken.
Sie wirkte, trotz schwerer Zunge, beschwingt
Und hat kräftig nach Bier gestunken.

Ich sei ihr sympathisch, erklärte sie mir.
Und drückte mich dabei oft heftig.
Das Weib ist nicht nur recht stabil,
Die Dame ist wirklich kräftig.

Sie sagte: “Wie du siehst mein Sohn,
Ist Bayern heute viel klüger.
Der Frieden zog ein in mein Vaterland.
Die Leute, sie lachen wieder.

In Zukunft werde ich wachsam sein.
Und das eine verspreche ich dir.
Den nächsten kleinen Führer, ich schwör’s.
Den ertränk ich in diesem Bier.“

Danach gab sie zum Abschied mir,
Mit ihrer Hand von Herzen
Auf meine Schulter einen Schlag,
Ich habe heut noch Schmerzen.

Ich wachte plötzlich auf und lag
Vor meinem Bett am Boden.
Ich bin durch jenen Schlag im Traum
Wahrscheinlich herausgeflogen.

V

Von München fuhr ich mit der Bahn
Nach Leipzig im tiefen Sachsen.
Die deutsch-deutsche Grenze gab es nicht mehr.
Sie war mit Gras überwachsen.

Die jungen Ruinen der Grenzstation
Standen verwaist und alleine.
Es wuchs schon Moos an den Mauern empor,
Begrabend die schweren Steine.

Hinter der Grenze war alles noch grau.
Ein eiskalter Regen setzte ein.
Es schien, als würde der Himmel mit mir
In gleichem Maße traurig sein.

Doch die starken Frühlingswinde
Trieben die Wolken schnell voran.
Die Sonne erwärmte das weite Land,
In dem es zaghaft zu blühen begann.

August, der Starke, herrschte einst hier.
Im alten Königreich Sachsen.
Die Sachsen sind ein lustiges Volk.
Sie werden wohl niemals erwachsen.

Sie schnattern wie junge Gänse es tun
In hohen, sächsischen Tönen.
Man kann sich an diesen “Singsang” gewiss
Nur sehr geduldig gewöhnen.

Recht hübsche Frauen hab ich gesehen
Im freien Bundesland Sachsen.
Die süßen Mädchen, wird erzählt,
Würden hier auf den Bäumen wachsen.

Ich hatte noch Zeit und ging zu Fuß
Die Stadt mir anzusehen.
Sie wirkte so hilflos und bedrückt
Auf mich im Vorübergehen.

Erahnen lies sich die frühere Pracht
An manchen der alten Fassaden.
Sie standen wie zur Mahnung da.
Verwahrlost, mit Schutt beladen.

Die große, berühmte Messestadt
Hatte den Glanz verloren.
Sie litt unter Dreck und Atemnot
Und hörte schwer auf den Ohren.

Doch fleißig, wie die Ameisen,
Ist dieses Volk der Sachsen.
Sie bauen und restaurieren viel.
Die Stadt wird wieder wachsen.

Sie wird gesunden, Leipzig wird blühen
Und sich fühlen wie neu geboren.
Dann atmet sie wieder frische Luft
Und hört gut mit wachen Ohren.

Es gab sehr mutige Leipziger,
Als sich das Volk hier formierte.
Und Montag war ein Freiheitstag,
An dem man hier demonstrierte.

Den Schergen des Politbüros
Wollte es nicht gelingen,
Den Widerstand der Leipziger
Zum Schweigen hier zu bringen.

Auch mit dem Knüppel halfen sie nach,
Den Aufschrei im Keim zu ersticken.
Doch war die Saat schon überreif.
Sie ließ sich nicht mehr unterdrücken.

Dem plansozialen deutschen Staat
Kehrten schon viele den Rücken.
Der wachsende “Aussiedleraderlass”
Riss immer größere Lücken.

So kam es endlich zu einem Duell,
Der Jungen und der Alten.
Der frische Wind, er ließ sich nicht
Durch Greisenhand verwalten.

Der Aufschrei wurde zum Gesang
Von frechen Sachsenchören.
“Wir sind das Volk”, klingt mir noch im Ohr,
Der Ruf war weltweit zu hören.

VI

Den “Auerbachs Keller” finde ich hier.
Dort will ich zum Essen gehen.
Es hat dieser alte Keller wohl
Schon manches Wunder gesehen.

Hier saß dereinst Herr Doktor Faust,
Des Johann Wolfgang von Goethe.
Er war mit dem Herrn Mephisto im Pakt,
Dessen Wangen von teuflischer Röte.

Und als ich bei der Kellnerin
Bestellte ein kleines Essen,
Da hat doch der freche Pferdefuß
Auch wieder dort gesessen.

Er hatte es auf mich abgesehen,
Versuchte zu provozieren.
Ich übersah ihn und begann,
Genüsslich nun zu dinieren.

“Na, alter Knabe, schmeckt dir der Fraß?”
War keck seine erste Frage.
Ich sagte: “Ja, die Suppe ist gut.
Es gibt keinen Grund zur Klage.”

Verschlagen lächelnd fuhr er fort:
“Ich dachte, du willst mich sprechen!
Lass uns, wie einst mit dem Doktor Faust,
Hier ordentlich trinken und zechen!

Glaub mir, wenn du mich heut engagierst,
Können wir beide auch reiten.
Auf einem Fass durch das deutsche Land,
Ich werde dich gerne begleiten.

Ich kann dir alles, was Du nur willst,
Besorgen und Schätze Dir zeigen.
Doch musst du mir versprechen, den Pakt
Vor aller Welt zu verschweigen.

Auch Lieben kannst du wen immer du willst.
Ich lege Dir alle zu Füßen.
Pfeif auf die Moral, mein Freund, schlag ein.
Du musst nicht mehr beten und büßen.

Die kühnsten Träume werde ich dir
Erfüllen und reich dich beschenken.
Du kannst fortan das Schicksal der Welt
Nach deinem Willen lenken.

Das biete ich wahrlich nicht jedem an.
Und hoffe, du schätzt diese Ehre.
Ich denke, dass ein Vertrag zwischen uns
Für beide von Vorteil wäre.

Na, wie gefällt dir mein Angebot?
Spricht irgendetwas dagegen?
Stößt dich vielleicht mein Äußeres ab?
Du bist doch sonst so verwegen.”

“Verschwinde, altes Spukgespenst.
Ich möchte in Ruhe hier speisen.
Und meine Seele bekommst du nicht.
Ich werde allein weiter reisen.”

Er blieb ganz ruhig, erwiderte nur:
“Du zögerst noch, das sehe ich ein.
Doch wenn du meine Dienste begehrst,
So werde ich bei Dir sein.”

Darauf verschwand er geisterhaft.
Es klopfte mein Herz beklommen.
Der Teufel, heißt es, gibt niemals auf.
Was er will, das wird er bekommen.

Als ich danach die Straße betrat,
Schien draußen die Sonne recht heiter.
Den Teufelsspuk vergaß ich schnell
Und reiste nach Dresden weiter.

Aber bevor der Dichter nach Dresden darf, muss ich noch ein Rezept aus Leipzig posten. Wie sagt man so schön: “Demnächst ist diesem Theater”

Es grüßt alle Literaturfreunde

Ihr Konditormeister

Martin Schönleben

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