Fasching und Krapfen sind ein untrennbares Paar, so wie es die närrische Zeit ohne die anschließende Fastenzeit gar nicht geben würde. Bei jedem Bäcker oder Konditor bekommt man sie mittlerweile, in unzähligen verschiedenen Geschmäckern – die Schmalznudeln, ohne die der Fasching gar nicht vorstellbar wäre. Im Faschingswahn werden Krapfen mit Aprikosen-, Johannis-, Himbeer-, oder Hagebuttenmarmelade angeboten. Andere können nicht wiederstehen und schmecken die Füllung mit Champagner, Kirschwasser oder Rum ab. Einigen Bäckern genügt selbst dies noch nicht und sie kreieren Pudding-, Nougat-, Schoko-, oder Vanillekrapfen. Der eine oder andere Krapfendesigner verliert hier schon einmal den Überblick und bieten dann sogar Geschmacksverirrungen wie Schmalznudeln mit Gummibärchengeschmack an. Eine Vielfalt wird uns mittlerweile angeboten, die vor Jahren nur ein paar Trendsetter der backenden Zunft zu bieten hatten.
Aber wenn man genau hinschaut, dann sind es doch nur immer die gleichen standardisierten fabrikartigen und gleichförmigen Einheitskrapfen, die uns in immer mehr Backshops durch die Schaufenster angrinsen. Während wir uns freuen über die neue Kreation eines Proseccokrapfens, geht uns die wahre Vielfalt verloren. Die Backfabriken teilen den Kuchen unter sich auf. An jeder Ecke ein Backshop mit den gleichen Krapfen. Wissen Sie warum das so ist? Weil viele ihre Krapfen bereits fix und fertig tiefgefroren einkaufen. Diese tiefgefrorene Massenkrapfenhaltung wird mir von findigen Händlern zu einem Preis angeboten, der bei mir allein die Materialkosten übersteigt. Also um das noch einmal deutlich und verständlich auszudrücken: Meine Kosten für Mehl, Eier, Eigelbe, feine Gewürze, beste Marmeladenfüllung usw. sind deutlich teurer als der Betrag, den ich zahlen müsste, wenn ich mir, wie andere meine Krapfen als tiefgefrorene Schusser einkaufen würde. Hauptsache billig werden Sie jetzt sagen! Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen.
Vielleicht wissen auch gar nicht was uns alles verloren geht…
Es verschwindet die Mannigfaltigkeit und die individuelle Handschrift des Bäckers oder Konditors wird durch maschinentaugliche Teige gleich geschaltet. Natürlich war früher nicht alles besser, aber es war bunter und reicher. Oder wissen Sie etwa noch, was Springnudeln, Bärentatzen, bachene Nockerl, Schmalz-Rosen, Topfennudeln, Topfenzipfel, Hasenöhrl, Polsterzipf, Ziegerkrapfen, Schneiderfleck oder Zwetschgenbavesen sind? Ja, das sind alles Namen für alte bayerische Schmalzgebäcke. Bei vielen dieser alten regionalen Faschingsspezialitäten kommt uns schon der Name etwas komisch vor. Wie aber „bachene Nockerl“ schmecken, das weiß kaum noch jemand. Oder kennen Sie etwa einen kleinen Bäcker oder Konditor, der einen dieser leckeren Schmalznudeln noch bäckt? Wir sind dabei unsere große alte bayerische Backtradition für immer zu verlieren. Durch unser Bestreben alles in einem Einheitsbrei zu ersticken, sind viele alte Backrezepte schon verschwunden – vielleicht sogar für immer.
Im Gegensatz zu den Italienern, die ihre regionalen Speisen für schützungswürdig halten, scheint man in der großen deutschen Kulturnation nur Bauwerke, Literatur und Kunstwerke für kulturfähig zu halten. Aber ist ein mit Sorgfalt, Liebe, besten Zutaten und handwerklichem Geschick gebackenes „Hasenöhrl“ etwa kein Kunstwerk? Durch diese unsere Ignoranz ist bereits viel an kulturellem Backgut verloren gegangen. Natürlich ist der Wandel notwendig und eine Erneuerung immer wichtig, aber wenn uns eine Industrie vorschreiben will, was wir zu essen haben, dann wird es Zeit einmal inne zu halten und nachzudenken, was uns dadurch schon verloren ging.
Wenn wir nicht mehr wissen, woher wir stammen und unsere Wurzeln nicht mehr kennen, dann verlieren wir einen wichtigen Teil unserer Identität. Aber bald ist ja Aschermittwoch, der Fasching ist zu Ende und es beginnt die Zeit des Fastens, der Stille, der Besinnung und der Buße. In diesem Sinne sollten wir in uns gehen und einmal nachdenken, wo sie denn hin ist, die bayerische Schmalznudelvielfalt, oder ob wir nun wirklich endlich den Colakrapfen erfinden müssen? Oder würde es Sie wirklich verwundern, wenn es ihn schon gäbe?
Damit Sie etwas tun können für die Erhaltung der alten Krapfenkultur, habe ich hier noch einmal eine Auswahl an bereits nahezu vergessenen, traditionellen Faschingsgebäcken für Sie zusammengestellt:
- Hasenöhrl – ein längst vergessenes Faschingsgebäck aus Altbayern
- Ein Krapfenrezept aus dem Jahre 1360
- Drischlegkrapfen
- Schlenklweihnudeln – bäuerliches Gebäck zur Lichtmess
- Scherben – Ein Traditionelles Faschingsgebäck
- Vingauer Mohnkrapfen
- Nonnenfürzli – ein klösterliches Fastengebäck
- Faschingskrapfen
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine Närrische Zeit
Ihr Konditormeister Martin Schönleben
– stets auf der Suche, nach den verlohrenen Schätzen der deutschen Backkultur.