Friede, Freude, Pferdekuchen
Liebe Astrid,
gut gebrüllt Löwin (ich glaub’ es hackt), denn du bist ja eine der Wenigen, die genau das Richtige einfordern, denn was drauf steht, muss auch drin sein. Du bist ja mit deiner Meinung beim Pferdefleischskandal so ziemlich alleine. Sogar der altehrwürdige Wolfram Siebeck stößt ja mit seinem Blogeintrag „Geiz ist Gaul“ in ein ganz anderes Horn. Auch der große Rest der Medienlandschaft ist sich einig darin, wer schuld hat: Der Konsument ist natürlich schuld.
Gut, dass wir uns alle so einig sind, denn dann sind wir ja aus dem Schneider, die anderen warn’s, die Billigheimer, die Aldigänger, die Harz4-Empfänger. Wir würden doch so eine Billiglasagne niemals gar nie nicht kaufen. Oder gibt es doch ein paar Foodblogger die heimlich zu Fertiggerichten greifen? Nein, wir doch nicht! Wir können also empört aufschreien, es uns bei einer selbstgemachten Pferdelasagne in unserem Lieblingsstuhl gemütlich machen und dann wieder zur Tagesordnung übergehen. Wir Foodblogger könnten uns austauschen über die besten Pferderezepte, ob es jetzt moralisch vertretbar ist Fohlen zu schlachten und was man auch Pferdehackfleisch noch alles leckeres zaubern kann. Vielleicht noch ein kleiner Pferdebloggerevent oder vielleicht wäre ein Event mit vegetarischen Gerichten hier passender und schon ist alles wieder im Lot. Friede, Freude, Pferdekuchen!
Aber ich muss ehrlich gesagt gestehen, dass ich im Moment nur darauf warte, wann das erste Pferdefleisch in höherwertigen Fertigprodukten auftaucht. Ich hoffe jedenfalls, dass die Kontrolleure nicht den gleichen Fehler machen und glauben Pferdefleisch könnte in hochpreislichen Produkten nicht gefunden werden und deshalb nur die Billigware untersuchen.
Jedoch wage ich es hier zu behaupten, dass den Meisten, die diese Billiglasagnen und anderen Fertiggerichte am unteren Preissegment kaufen, im Prinzip egal ist, ob da Pferde-, Hühnchen-, Ziegen- Lama- oder Rindfleisch drin ist. Hauptsache es schmeckt ihnen und der Preis stimmt. Oder glaubt hier irgendwer, dass man bei solchen Produkten noch große Ansprüche hat, außer dass man nicht sofort vergiftet wird, sondern die Vergiftung schleichend stattfindet.
Man fragt sich schon, was das für Leute sind, die dieses seltsame Benzin mit dem noch seltsameren Namen E10 nicht tanken, weil sie Angst um ihr armes geliebtes Auto haben. Sie tanken lieber das teure, damit es dem Motor auch gut geht, dafür kann man ja dem eigenen Körper etwas billiges zumuten. Sind wir eigentlich noch zu retten, wenn wir unserem Auto besseres gönnen als uns selber? Lieben wir unser Auto mehr als uns?
Aber ich bin abgewichen, denn eigentlich soll es hier ja darum gehen, wer eigentlich Schuld hat. Natürlich die, die uns dieses Pferdefleisch als Rindfleisch untergejubelt haben, das sind die Verbrecher. Und warum sollte jemand, der zwecks Gewinnmaximierung, uns das billigere Fleisch als teureres verkauft, dies nur bei Billigware tun? Was würde das für einen Sinn machen? Liebe Astid, kannst du mir diese Logik irgendwie erklären? Oder hat jemand anderes eine Ahnung, warum man es nicht in die teuren Produkte rein macht? Diesen Kriminellen geht es darum möglichst viel Geld zu verdienen, das sind die Gleichen, die konventionelle Ware als Bioware umetikettieren, weil man dann mehr verlangen kann. Die machen das um mehr Geld zu scheffeln, nicht um den Billigheimern eines auszuwischen.
Aber was kann man nun dagegen tun? Die Politiker und Verbraucherschützer schreien natürlich sofort, mehr Kontrollen! Kann ja nicht schaden, aber die Verbrecher sind uns natürlich immer einen Schritt voraus und wir wissen ja nicht, was sie sich wieder einfallen lassen. Deshalb kommt der nächste Skandal so sicher wie das Amen in der Kirche. Und auch das ist leider eine Tatsache, erst wenn wir wissen, wie wir betrogen werden, können wir danach suchen und dann die richtigen Kontrollen machen.
Es grüßt der immer wieder an der Welt verzweifelnde
Martin Schönleben