Türchen 22 vom 180°-Adventskalender
Teilen 2.0
Was soll man von jemanden halten, der fremdes Eigentum teilt. Es zerstört, dafür im Kerker landet und kaum sind ein paar tausend Jahre vergangen, wird er von allen verehrt. Vielleicht ist er sogar der beliebteste und bekannteste Heilige, die Netzgemeinde sollte ihn gar zum Schutzheiligen des Internets ausrufen, denn im Grunde ist er ein Popstar. Ihm zu Ehren werden jedes Jahr Lieder gesungen, Lichterumzüge veranstaltet, besondere Brote gebacken und natürlich alles geteilt.
Wobei ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich Sinn macht, seinen Mantel zu zerschneiden und die Hälfte einem frierenden Bettler zu geben. Kann er sich wirklich damit aufwärmen? Ich stelle mir das immer bildlich vor, wie sich der Bettler den Mantel umlegt, aber der halbe Mantel reicht nur bis zum Bauchnabel. Der Heilige aber, reitet einfach weiter. Aber mit diesen Bedenken stehe ich alleine da, denn den Kindern wird er als großes Vorbild verkauft und sie sollen von ihm das Teilen lernen.
Unsere Kleinen schert das recht wenig, denn sie haben die Liedtexte einfach umgedichtet:
“Sankt Martin, Sankt Martin, Sankt Martin,
ritt durch Pommes und Salat,
sein Ross steht still am Colaautomat,
Sankt Martin wirft ne Münze ein
und trinkt die Cola gaaanz aaallein!
Im Schnee saß, im Schnee saß
im Schnee da saß ein reicher Mann
hat Kleider an wie Supermann
Oh helft mir doch in meiner Not
sonst schmier ich mir ein Butterbrot!”
Auf alle Fälle ist Sankt Martin ein komischer Heiliger. Auf den Namen eines Kriesgottes getauft — Martin kommt nämlich von Mars und bedeutet der Kriegerische — steht er heute symbolisch für die Nächstenliebe und an seinem Tag wird ein Fest des Teilens gefeiert. Womit er wieder hochaktuell ist. Denn Teilen ist im Zeitalter des Internets so en vouge, wie nie zuvor. Wir teilen alles: Foodblogger ihre Rezepte, Politblogger ihre Statements und jeder von uns seine Posts auf Facebook. Der Musikliebhaber teilt die Musik anderer, ob legal, illegal oder scheißegal. Im Wordwideweb wird einfach alles geteilt.
Teilen ist keineswegs eine Erfindung des Internets, wir teilen schon seit langem fast alles analog: unsere Autos — Neudeutsch Carsharing — unsere Couch mit fremden Reisenden — Couchsurfing, Freude daran zu haben, wenn plötzlich wildfremde Beliger in unserem Wohnzimmer sitzen und den Kühlschrank leer räumen.
Wem das nicht genug ist, kann beim Haustausch gleich sein ganzes Anwesen mit gleichgesinnten Urlaubern aus möglichst exotischen Ländern tauschen. Sogar unseren westlichen Wohlstand und die D-Mark haben wir mit unseren Schwestern und Brüdern im Osten geteilt. Oder wir machen es gleich so wie der Microsoft-Gründer Bill Gates und der Milliardär Warren Buffett, die ihr ganzes Vermögen teilen. Ich bin mir fast sicher, in ein paar hundert Jahren, werden meine Ur-ur-ur-ur-ur-ur-urenkel ihr Lichtlein zu Ehren des Sankt Bills oder Sankt Warren entzünden und wenn es sie noch gibt, werden ein paar geschäftstüchtige Bäcker Geldscheine mit Tonpfeife backen. Dieses Gebäck teilen dann Kinder nach dem Kürbislaternen-Umzug.
Deshalb ist der Mythos von St. Martin heute so modern, wie nie zuvor. Nur zwei Fragen sind ungeklärt. Würden wir genauso handeln und warum gibt man nicht einfach seinen ganzen Mantel her? Da habe ich auch keine richtige Antwort darauf. Denn was hat man davon, seinen Mantel in der Mitte durchzuschneiden und die eine Hälfte einem Bedürftigen zu geben. Außer, dass einem sowohl der Harz-4-Empfänger, der Asylbewerber, der Obdachlose und auch das Umfeld einem mit Unverständnis begegnet. Aber warum wird dann ein Soldat, der seinen Mantel mit dem Schwert entzwei schneidet, glorifiziert und man selbst muss damit rechnen, dass man in einen weißen Mantel gepackt wird?
Früher in der „Guaden oiden Zeit“ als man noch gezwungermaßen freiwillig ein Teilzeitvegetarier war, weniger aus Überzeugung, mehr aus dem Zwang heraus, dass man sich nicht so oft ein schönes Schweinerns leisten konnte, da war der Martinstag schon ein wichtiger Tag, schließlich gab’s einen Braten. Ein Schwein wurde geschlachtet oder man aß eine Ente oder einen Gänsebraten. Es wurde noch einmal richtig geschlemmt, denn dann begann ja die vorweihnachtliche Fastenzeit. Freilich, wir Foodblogger würden natürlich die Martinsgans mindestens als „Foi Gras“ servieren und daraus einen Bloggerevent machen. Und schon sind wir wieder zurück beim Rezeptetausch. Wie bereits gesagt, nicht nur ich, sondern wir Blogger sind halt doch alle kleine „Sankt Martins“
Gut geteilt ist halb geschenkt. Teilt und schenkt weiter. Ich mache hier gleich den Anfang und teile mein Rezept mit euch:
Bischofsbrot
ein saftig würziger Martinikuchen
Rezept:
250 g Eier (5 Stück)
250 g Zucker
250 g Mehl
250 g Mandeln gestiftelt leicht geröstet
250 g Kuvertüre Zartbitter fein gehackt
250 g Sultaninen in Rum eingeweicht
15 g Zimt
Eier und Zucker zuerst im warmen Wasserbad unter ständigem rühren auf ca. 45 ° C erwärmen. Nun die Eiermasse aus dem Wasser nehmen und gut schaumig rühren. Mehl sieben und zusammen mit den restlichen Zutaten vorsichtig unter die Masse heben. Eine oder mehrere rechteckige Kastenformen fetten und mit gehobelten Mandeln bestreuen. In diese die Masse geben und bei ca. 185 ° C je nach Größe der Form 35 bis 50 Minuten backen. Nach dem Auskühlen mit Puderzucker fein bestauben.
Und nicht vergessen, Weihnachten ist das Fest der Liebe und des Teilens. In diesem Sinne reite ich jetzt gemeinsam mit „Good Old Sankt Martin“ durch Pommes und Salat und wünsche allen ein geteiltes Weihnachten
Ihr Konditormeister Martin Schönleben